Gemeindeleben

Partnergemeinde

Die Partnerschaft zwischen der Kirchengemeinde Teicha/Sennewitz (DDR) und der Kirchengemeinde Hirzenhain/Steinberg (BRD)

Begonnen hat alles mit einem innerdeutschen Treffen von Pfarrern aus Ost und West in Eisenach im Spätherbst 1979. Dort trafen sich im Hubertushaus der evangelischen Kirche Pfarrer aus beiden Teilen Deutschlands, um sich über ihre Arbeit unter den unterschiedlichen politischen Bedingungen auszutauschen. Dabei waren auch Günter Baumgarten als Pfarrer von Teicha und Manfred Patzelt als Pfarrer vom hessischen Hirzenhain.

An einem Abend nach offiziellem Tagesprogramm und Abendessen haben die beiden bei Rotwein ihre Seelenverwandschaft entdeckt und überlegt wie trotz Grenze eine Zusammenarbeit der beiden Kirchengemeinden zu machen wäre. Heraus kam die Idee der Partnerschaft.

Als die Pfarrer das nach ihrer Rückkehr den Gemeinden verkündeten gab es einhellige Zustimmung in Ost und West. Als erster Besuchstermin hatten die Zwei Ostern 1980 ausgemacht. Nun war es nicht so einfach, dass eine Gruppe aus Hessen in den damaligen Bezirk Halle reisen konnte. Die Gruppe wurde für die ostdeutschen Behörden in Einzelbesucher/ Familien zu verschiedenen Familien in Teicha und Sennewitz aufgeteilt. Jede Gastgeberfamilie mußte einen Besuchsantrag bei der Polizei in Halle stellen mit allen persönlichen Daten, Passnummern usw.

Die Bewilligung dauerte mehrere Wochen, man musste sich also beizeiten entschließen zu reisen und die gesamten Daten per Brief (mit ca. 2 Wochen Zustellzeit) von West nach Ost schicken. Die Einreisebewilligung erhielt die Gastfamilie und mußte die dann an ihren Besucher aus Hirzenhain schicken. Bei der Einfahrt in die DDR hatten die Hessen eine gründliche Kontrolle über sich ergehen zu lassen und mussten natürlich die Einreiseerlaubnis vorlegen.

Dann kamen sie Karfreitag 1980 tatsächlich in Teicha an. Ein VW-Bus mit 5-6 Leuten und Manfred Patzelt im PKW mit seiner Frau Johanna und der kleinen Mariane. Es waren spannende, fröhliche und interessante 3 Tage, es war sonnig und kalt. Von Ost und West waren mehrheitlich Leute zwischen 20 und 25 dabei, das hieß ähnliche Berufs- und Familienthemen, Wehrdienst bereits geleistet, Zukunfspläne. Dazu dann die unterschiedlichen politischen Rahmenbedingungen – da gab's Gesprächsstoff bis zum Morgengrauen.

Es wurden natürlich auch gemeinsam Gottesdienste gestaltet und gefeiert, über das kirchliche Leben in den Gemeinden gesprochen, über die kirchlichen Gebäude berichtet und besichtigt. Die hessischen Gäste waren begeistert über unsere geschichtsträchtigen Orte und Gebäude, waren erschüttert von dem Einheitsgrau der Orte, staunten über die Unterstützung junger Familien durch Ehekredit, Krippen-und Kindergartenplätze von 06.00 - 17.00 Uhr.

Diesem ersten Treffen sollte bis heute jedes Jahr ein Treffen folgen, bis 1989 einseitig nur von West nach Ost ( mit Ausnahme der Rentner aus unserer Gemeinde , die durften schon vorher rüber), danach im Wechsel – 2024 fahren wir im Oktober nach Hirzenhain. Die jährlichen Treffen in den 1980er Jahren wurden natürlich vom Staatssicherheitsdienst der DDR misstrauisch beäugt. Da wurde man schon mal von den örtlichen unteren Dienstgraden komisch angesprochen. Bei unseren Runden waren, wie es sich später herausstellte, auch Informelle Mitarbeiter der Stasi dabei. Aber grundsätzlich wurden wir bei unseren Treffen in Ruhe gelassen.

Nach einigen Treffen sagten die Hirzenhainer ... wir sind ja grundsätzlich auf einer Wellenlänge, wir würden gern mal mit richtigen Kommunisten diskutieren. Kein Problem, Kommunisten gibt’s im Osten genug, zum nächsten Treffen werden welche besorgt.

Ein befreundeter Kollege und seine Frau waren in der SED, hatten 3 Kinder wie wir und kamen gern auf „neutralen Boden“ auf unseren Hof für einen halben Tag.Während die Kinder aus Ost und West beim Schweine füttern halfen, Eier ablasen und im Heu tobten konnten die Erwachsenen diskutieren. Es war ein toller Abend, man war meist gleich alt und hatte zu vielen Themen unterschiedliche Auffassungen. Oft gerieten unsere Hessen in Argumentationsnot, es ist ja lange nicht alles Blödsinn was ein Kommunist von sich gibt. Die Gespräche waren respekt- und oft humorvoll, nach einer herzlichen Verabschiedung hatten alle Beteiligte  viel Stoff zum Nachdenken. Nach der Wende kam raus das mein Kollegen IM war. In meinen Stasi-Akten tauchte der Abend nicht auf.

Die Partnerschaft führte natürlich auch zu privaten Freundschaften, von denen manche schon über 40 Jahre bestehen.

Es gab auch materielle Unterstützung von Hirzenhain für unsere Kirchengemeinde. So gaben die hessischen Freunde Anfang der 1990er Jahre einen Kredit für die Sanierung des Kirchendaches in Teicha. Da wurde z.T.  auf Zinsen verzichtet, die Tilgung der letzten Summe erfolgt 2024.

Anfang der 90er Jahre erweiterte sich die Partnerschaft auch auf die Kommunen. Da wurden dann 2 Programme angeboten, für die Gemeindeglieder und für Bürgermeister, Feuerwehr, Kindergarten usw. es gab viel zu lernen von Müllbeseitigung, Straßenausbausatzung und Vereinsleben.

Die Leute aus den ersten Jahren sind mittlerweile Rentner. Deren Kinder haben noch losen Kontakt zu gleichaltrigen Kindern der Partnergemeinde. Die Enkel bekommen nur bei Besuchen aus der Partnergemeinde mit, das es da eine Verbindung gibt.

Viele Leute, die die Partnerschaft begründeten und ausmachten sind verstorben, das ist nicht verwunderlich nach 45 Jahren. Auch die Begründer Günter Baumgarten und Manfred Patzelt sind schon einige Jahre nicht mehr unter uns.

Wie lange die Partnerschaft noch besteht ist ungewiss. Sie lebt -  im März jeden Jahres treffen sich die Gemeindekirchenräte zu einem gemeinsamen Wochenende, im Herbst besuchen sich nach wie vor Gemeindedelegationen einmal in Hessen, im nächsten Jahr in Teicha.

Eberhard Neuhaus

erstellt von lilac-media